Unsere Alpentour von Oberstdorf zum Lago di Maggiore

Jetzt sitzen wir hier und überlegen, was in unserem Bericht geschrieben stehen soll. Es ist jetzt Ende November und unsere Alpenüberquerung ist schon 4 Monate her.

Wer wir sind?

Da wäre als Erster zu nennen: Herbert Ziegler, der heimliche Initiator dieser Tour. Nur seinen permanenten Sticheleien ist es zu verdanken , dass wir uns dieser Herausforderung angenommen haben: "Ach das schaffen wir nie!" oder "Reizen würde mich das schon".

Oder aber auch Peter Kälberer, der geniale Tourenguide. Seiner perfekten Vorbereitung sowohl Monate vor der Tour, als auch täglich nach den Etappen ist es zu verdanken, das wir uns wirklich nur minimal verfahren haben. (Alles in Allem höchstens 2 Kilometer). Was das heißt, kann nur der nachvollziehen, der schon mal eine solche Tour bewältigt hat.
Und dann natürlich Alex Crestani, der Moderator. Er hielt die Moral hoch und die Truppe beieinander. Hatte mal einer `nen Durchhänger, ließ er nichts unversucht ihn wieder zu motivieren. Was ihm auch immer gelungen ist.
Dieter Beuter, ist leider heute nicht hier. Dieter genannt das Tier. Als Ältester hat er uns Allen gezeigt, wo der Bartel den Most holt.
Und da wäre auch noch Frank Nickl, der sich selbst nicht einschätzen kann und sich immer als Looser darstellt, aber immer zu den Stärksten zählt und dazu noch der Verfasser dieses Berichtes ist.

Zu den Fakten

Wir hatten uns auf Donnerstag , den 28.07.2000 als Starttag geeinigt. Los ging's um 5.11 Uhr in Göppingen mit dem Zug nach Oberstdorf. Nach etlichen Halts und mehrfachem Umsteigen konnten wir unsere Räder in Oberstdorf aus dem Zug laden.
Zum Glück hatten wir unseren Herbert noch dabei. Dieser verträumte Mensch hätte doch beinahe den Anschlußzug in Kempten verpaßt. So genug von der Plapperei.
Von Oberstdorf ging's zunächst ins Birgsautal. Die Asphaltstrecke endete bei der schwarzen Hütte. Ab nun ging's zur Sache. Bedingt durch den wochenlangen Regen waren die Viehweiden über die wir zum Salzbichler Joch gelangen wollten total aufgeweicht. Die Kühe hatten ihr übriges dazu getan, so daß wir uns ganz anständig abmühen mußten, um die Höhe zu erreichen. Auch der Abstieg nach Lechleiten war kein Zuckerlecken. Zum guten Glück hatten wir traumhaftes Wetter. Eigentlich wäre der Routenverlauf bis Lech auf Asphalt. Peter hatte aber auf der Karte einen Weg am Lech entlang entdeckt. Leider stellte sich heraus, daß dieser Weg beinahe unzumutbar war. Originalton aus Herberts Aufschrieb: "Frank schimpft und flucht."
In Lech machten wir eine kurze Pause bei Wasser, Cola und Powerriegeln, um danach auf Asphalt nach Zug zu radeln. Von dort ging's auf zum Stierlochjoch. Langsam trübte das Wetter ein.
Angekommen auf der Ravensburger Hütte, war kein Stück blauer Himmel mehr zu sehen. Aber es regnete noch nicht.
Die erste Übernachtung war sehr angenehm. Das Essen war sehr gut, und auch die Getränke. Alex hatte das Privileg, direkt unter dem geöffneten Dachfenster schlafen zu dürfen. Somit bemerkte er den einsetzenden Regen auch als Erster. Und dieser Regen hatte ein ordentliches Durchhaltevermögen.
Gegen zehn Uhr an nächsten Morgen entschlossen wir uns, auf Drängen von Alex, zum Aufbruch. Vorbei am Spullersee erreichten wir einen genialen Singletrail, der bei idealen Verhältnissen sicher zu 90% fahrbar ist. Derweil hatte der Regen aufgehört, so dass wir nachdem wir durch Klösterle gekommen waren, uns in Danhöfen von den Regenklamotten befreien konnten. Das war auch gut so, denn von nun an ging´s bergauf zum Kristbergsattel. Dieser Anstieg ist moderat und gut zu fahren, zieht sich aber ganz ordentlich. (Wir wussten noch nicht, was auf uns zukommen würde.) Oben war es kalt und wir hatten Hunger. Ein kurzes Stück weiter unten war aber die Rettung in Form des Gasthauses Kristberg.
Nach gelungener Stärkung kam eine schnelle Asphalt-Abfahrt nach Schruns. Ab hier begann es wieder leicht zu regnen. Dieser Regen verstärkte sich derart, daß wir uns in Tschagguns unterstellten. Nach einer halben Stunde ging´s endlich weiter.
Als wir an unserem Etappenziel, der Lindauer Hütte angelangt waren, wussten wir, was wir den ganzen Tag geschafft hatten. Die Hütte war gut belegt, und wir Radler wurden ausgiebig bestaunt. Die meisten fragten sich, ob wir am nächsten Tag wieder abfahren würden, oder was wir vorhätten, denn von der Lindauer Hütte aus gibt es nur hochalpine Übergänge. Einen davon hatten wir uns ausgesucht: Das Drusentor.
Wer diesen Weg kennt, der kann uns nur zu den Spinnern zählen.
8 Kilo Gepäck und ein sperriges Bike von 10-14 Kilo Gewicht über diesen Pass zu tragen grenzt an Masochismus. Das wußten wir, als wir oben angelangt waren. Bei einer Temperatur um die 0 Grad Celsius tragen, schoben und fuhren wir zur Carschina-Hütte. Eine wunderschöne Hütte mit Fahrradständer aus Holz in 2221 m Höhe !!
Die folgende Abfahrt führte uns durch Wasser, Matsch und Kuhfladen zu einer enorm steilen befestigten Straße. Und dann, unten im Tal, der Supergau. Herbert stürzte und blutete aus einer Platzwunde über dem Auge. Unser erster Gedanke war: nun ist die Tour zu Ende. Aber dem war nicht so. Herbert ist eben hart im nehmen.
Die Fahrt auf der Straße durch St. Antönien bis Küblis war flott, aber eher langweilig. Ebenso und noch naß gestaltete sich die Fahrt hoch zum Duranapaß. Dieser Paß ist eigentlich eine hochgelegene Viehweide, die wir bei strömenden Regen durchqueren mussten. Um das Wasserchaos etwas bildhaft zu verdeutlichen: Die Almhirten konnten die Wege trotz Jeep mit Schneeketten nicht bewältigen und fuhren quer durch die Viehweiden.
Eigentlich wollten wir noch ins Tal fahren, aber in Strassberg machten wir Quartier im Restaurant Strassberg. Das Lager unter dem Dach war gelinde gesagt urig. Aber das Essen!! Einfach genial!!
Für Alex wäre es allerdings angebracht gewesen, die Wendeltreppe mit Helm zu besteigen.
Der nächste Tag hätte uns beinahe dazu bewegt, die Tour wegen dem schlechten Wetter abzubrechen. Die rettende Idee war ein Ruhetag in Arosa. Nach gründlicher Suche gelangten wir an das Hotel Sonnenhalde. Im Nachhinein können wir sagen: das war ein Glücksgriff. Ein altes Gebäude behutsam renoviert, mit perfekten Zimmern und einer wunderschönen Sauna. Das wir dort so herzlich aufgenommen wurden erklärte sich bei einem Blick in die Garage:"Dort standen zwei Mountain - Bikes der gehobenen Klasse."
Und auch der nächste Tag zeigte sich von seiner besten Seite: Sonnenschein, blauer Himmel, beste Bike Temperaturen.
Der Welschtobel ist sogar bergauf ein Traum. Teils fahrbar gelangten wir vorbei an der Ramozhütte auf den Furcletta - Pass, mit 2573 m der höchste Punkt unserer Reise. Auch die Abfahrt mit gewaltigem Gipfelpanorama gestaltete sich als Touren-Highlight.
Zwischen Aclas Dufora und Alvaneu erlebte unser Dieter die einzige Panne der Tour. Eine Schraube seiner Sasttelstütze brach, was beinahe böse geendet hätte. In weiser Voraussicht hatte er aber eine Ersatzschraube mitgenommen, so dass wir bald in Alvaneu angelangten.
Der Single - Trail mit Holzbrücken entlang der Albula nach Tiefenkastell war ein weiterer Höhepunkt der Sonderklasse.
Auch die Bäckerei in Tiefenkastell ist eine Erwähnung wert. Die süßen Stückchen gaben uns die Kraft, um den letzten Anstieg über Mon, Salouf, Parsonz nach Radons zum Berghaus, unserem nächsten Etappenziel zu erreichen. Erschöpft, aber glücklich kamen wir an und durften einen schönen Abend bei gutem Essen und Getränken genießen.
Der nächste Morgen war kalt. Kalt aber sonnig. Nur leider erreichte uns die Sonne erst sehr spät, nachdem wir uns das elend steile und steinige Tal zur Furcola Starlera hochgequält hatten. Der Abstieg von dort bis nach Starlera ist derart unwegsam, dass wir keinen Meter fahren konnten. Bergab schieben ist sooo mühsam! Bis Innerferra war dann die Abfahrt um so genialer, zumal das Panorama dort eines der Besten überhaupt ist.

Tja so ein Alpencross besteht eben aus "Aufs und Abs"!! So ein "Auf" erwartete uns in Form einer Straßenauffahrt, die in einen nicht enden wollenden Schotterweg zum Punkt über dem Lago di Lei mündete. Entschädigt wurden wir aber sofort mit einer der schönsten Abfahrten zur Staumauer des Sees. Auf der italienischen Seite gönnten wir uns einmal mehr eine Portion Spaghetti.
Am See entlang war die Strecke einfach, aber danach quälten wir uns hoch zum Passo di Angelona."Von einem Muli, bepackt mit leeren Milchkanistern, überholt zu werden ist im Übrigen keine Schande."
Vor der Tour hatte uns Alex gewarnt: Wenn es ausgesetzt wird, drehe ich um! Und was war nun? Wir standen hoch über unserem Etappenziel, der Rifugio Chiavenna. Aber dazwischen lag ein Klettersteig erster Klasse. Mit Drahtseilen gesichert, aber eben steil, steil, steil. Nach kurzer heftiger Diskussion wagten wir uns bergab, und - waren leichter als erwartet - schnell am Ziel angelangt.
Die Hüttenwirte - eine wunderbare Großfamilie- umsorgten uns in bester Art und Weise, das Lager allerdings war kalt und unbequem.
Der nächste Tag zeigte sich wettermäßig von seinen besten Seite. Endlich war ich einmal der Schnellste. Bergab schiebend bin ich eben kaum zu schlagen. Die Abfahrt bis Tini ging dann rasend schnell. Straßenmäßig eher langweilig. Jetzt hatten wir ein hartes Stück Arbeit vor uns. Eben auf der Strasse mit Gegenwind und Umleitungen für Radler, vorbei an dunklen Straßentunneln, näherten wir uns dem Comer See. Nach der Stärkung mit Pizza und Spezi kam dann die große Plage.
2000 Höhenmeter waren zu bewältigen bis zum Rifugio di San Jorio. Kurz vor dem Ziel erreichte uns dann auch noch ein Unwetter, wie man es nur im Hochgebirge erleben kann. Peter und ich, die Nachzügler flüchteten in einen Wasserdurchlass unter dem Weg. Die Blitze waren unglaublich grell, und das Donnergrollen war atemberaubend. Ebenso atemberaubend war auch die Aufnahme der Hüttenwirte auf San Jorio. Wir wurden bemuttert ohne Gleichen. Das Essen war hervorragend, und der Wein ebenso. Mit dem Engagement für Nepal, Tibet und alle Himalayavölker hatten die Hüttenwirte sofort unsere Hochachtung.
Der nächste Tag begann mit einer bikerischen Hochleistung. 100 steile Höhenmeter bis zum Pass, ohne abzusteigen. Peter voran, und keiner wollte sich eine Blöße geben. Und wir haben es geschafft!! "Von nun an ging's bergab", um mit Hildegard Knef zu sprechen.
Eine ewig lange Abfahrt bis Giabiasso 13 km vor Locarno am Lago di Maggiore. Und der Regen hatte uns wieder. Er hörte auch nicht mehr auf. Eigentlich wollten wir noch einen Tag am Lago genießen. Aber das Wetter zwang uns geradezu, unsere Abreise einen Tag vorzuverlegen.
Die Rückreise war deswegen anstrengend, weil ich Alex nicht mehr riechen konnte. Der konnte Peter nicht mehr riechen und der wiederum mich nicht. Wir stanken nämlich wie die Eber, was auch unsere Frauen sofort feststellten, als sie uns bei strömenden Regen, mit einem riesigen Plakat in Göppingen am Bahnhof abholten.

Jetzt, wenn wir das so schreiben, packt uns das Fernweh, die Oberschenkel zucken, und wir wissen ganz genau, 2001 ist wieder eine Tour angesagt.

Frank, Peter, Dieter, Herbert und Alex



Zuletzt geändert am 23. Dezember 2000